1. Geist
Ideenschwanger
hockt vor der Novelle,
das dumpfe Hirn
zum Konvolut verwebt,
ein Faulpelz, der
sich höchsten Ruhm erstrebt,
und mit ihm Geld,
am besten auf der Stelle.
Weil er was kann,
wird auch der finanzielle
Erfolg ihm hold
sein, glaubt er, und erlebt
tagtäglich vor
der Glotze festgeklebt,
wie's gehen
könnte, so ganz auf die Schnelle.
Da sitzt er nun
vorm Bildschirm des PC's
auf seinem
allerwertesten Gesäß,
die Finger
tippbereit wie nie zuvor.
Das Schreiben läge
ihm im Blutgefäß.
Nun wird er,
seinem Fleiß bei Nacht gemäß,
ein bald bekannter
großer Buchautor!
2. Geist
Der bald bekannte
große Buchautor
sucht für den
Kassenschlager wie verhext
die Überschrift,
den Titel, den man kleckst
gleich obenauf,
ein Hit für jedes Ohr!
„Wie wäre es
mit Stimmen aus dem Moor?“
„Das
gibt’s doch schon! Wer weiß, was dem erwächst?
Ich weiß nicht, wo du dich versteckst,
du Meisterwerk! Ich sauf erstmal Liquor.“
Gesagt, getan.
Anstatt er endlich Lettern tippt,
sieht man den
Kerl, der selig nippt und kippt.
Ihm brennt die
Lust im Schlund, gluckst mit Rumor.
Vor schwerer
Arbeit kommt stets der Genuss,
gut Ding braucht
Schnaps erst, dann den Musenkuss.
Sein Auge klebt am
leeren Monitor.
3. Geist
Sein Auge klebt am
leeren Monitor;
starrt vor sich
hin und wartet auf das erste Wort.
Steht dieses fest,
gehts weiter usf.
Der Rest ist
Zierrat, Schnörkel und Dekor.
Und Frage über
Frage kriecht empor:
Wer handelt wie
und wann, an welchem Ort?
Thematisch reizt
ihn alles – Liebe, Mord,
das Leben einer
Frau mit Labrador ...
Ideen gibt’s
zuhauf, sind kein Problem.
Drum macht er es
sich erst einmal bequem.
„Prost, guter
Geist, und mach nicht solche Welle!“
Die Nacht lässt
uns ein wenig auf sich warten,
noch blinkt kein
Mond durch das Gestrüpp im Garten
und ruht der Abend
draußen auf der Schwelle.
4. Geist
Der Abend ruhet
draußen auf der Schwelle,
um Häuserwände
pfeift ein kalter Wind,
weht diesen Tag
hinfort, der stumm zerrinnt.
Bis vor 'ner
Stunde schien die Sonne helle.
Ist nicht die
Nacht die unbegrenzte Quelle,
der Mär
Geburtskanal, der hier beginnt?
Was jetzt ein Hirn
in Einsamkeit ersinnt,
birgt jenen Stoff
für Intellektuelle!
Wenn ihm der Titel
in die Finger käme
und ihn ergriffe,
seine Hände nähme!
Ihm fiel auch die
Geschichte ein - zur Hölle!
Des Dichterlings
erbarmt sich kein Gedanke,
im Schoße döst
die untätige Pranke.
Verträumten
Blicks durchmisst er die Parzelle:
5. Geist
Verträumten
Blicks durchmisst er die Parzelle:
beschreitet Wege
und prüft mit gestrengen,
mit Blicken,
bleibt auch an der Traufe hängen:
Wann wechselt er
wohl deren Dichtungsschelle?
Das ist die Frage,
denkt er. Finanzielle
Gegebenheiten, die
ihn stets beengen,
erwachsen aus
verschiednen Lebenszwängen -
gemessen an dem
Schreibversuch, ne Bagatelle!
Soll doch der
Regen aus dem Loche fließen!
Die Pflanzen
drunter braucht er dann nicht gießen.
Da weckt ein
lautes Tirilieren ihn sonor.
Ein zartes Lächeln
macht sich breit und breiter,
und allem Anschein
nach macht sie ihn heiter:
Die Nachtigall
singt mit dem Himmelschor.
6. Geist
Die Nachtigall
singt mit dem Himmelschor,
Gedanken gehen mit
dem Klang auf Reisen.
Dem Schreiberling
beginnts im Kopf zu kreisen.
Schwupps, wird ihm
schummrig, er sinkt hin - ins Moor.
Im Moor,
versperrter als ein Banktresor
(Wie viele Kinder
wurden dort zu Waisen
und lieget manches
auch bei all den Greisen?),
verbergen böse
Taten Schilf und Rohr!
Er wähnt die
Leichen unter einem Galgen
um beste Plätze
in dem Sumpf sich balgen!
Daselbst die
Weiden tragen Trauerflor!
Ein Schlag! So
wahr der liebe Gott mir helf!
Der Kirchturm
dröhnt – die Uhr schlägt Zwölf!
Just überm Wald
verglüht ein Meteor.
7. Geist
Just überm Wald
verglüht ein Meteor.
Wo sonst der Mond
stand, gähnt ein düstres Loch,
dem eine Viper
sich entwand, entkroch.
Und den Betrachter
schüttelt ein Tremor.
War Angst der
Grund, wars, dass er furchtbar fror?
Womöglich keins
von beiden. Ja, das roch
im Endeffekt nach
Fantasie! Jedoch -
ihm war zum
Heulen, ihm, dem armen Tor.
Behände greift er
nach der Schnäpskenpulle
„Wenn das so
weitergeht, werd ich machulle!
Verschwinde,
Geist, verschwinde auf der Stelle!
Vielleicht hilft
mir zur Not ein Stoßgebet?“
Er ringt um Worte,
ringt um Qualität.
Voll Schwermut
streifte Wind durch die Kapelle
8. Geist
Voll Schwermut
streifte Wind durch die Kapelle.
Vor dem Altar
erfleht der Gernegroß
sich Heilung,
Finger falten sich im Schoß,
ein Pfaffe rückt
ihm nicht mehr von der Pelle.
Gesäusel über
himmlische Duelle
von Sünden und
Vergehen, von Verstoß,
von Tod und Teufel
schwatzt der bloß.
Er kenne davon
eine Vielzahl Fälle!
In dem Moment
durchfährt den Betenden ein Blitz.
Er wirft ne Münze,
die plumpst in den Schlitz
und er entkommt
dem schwarzen Fluch und Trug.
Wie hinter ihm die
Tür ins Schlosse fällt,
dünkt er sich als
ein unschlagbarer Held.
Die Welt ist
schön, denkt er, und ich bin klug!
9. Geist
'Die Welt ist
schön', denkt er, 'und ich bin klug.
Ein Prosit auf die
Windungen im Hirn,
sie weisen mir den
Weg, sind mein Gestirn,
bewahren mich vor
heiligem Betrug.
Was wär ich ohne
dies, wer hinterfrug
denn sonsten?
Himmel Arsch und Zwirn!
Womit soll man
sonst Gaunerei erspürn?',
sinniert der
Dichter, denn er hat genug,
genug an Hirn,
Gedanken und Verstand.
Nur hat bis dato
niemand dies erkannt!
Da ploppt es kurz,
perlt in den Henkelkrug
und rauscht durch
seine Kehle, kühl und feucht
worauf sein
lyrisches Konstrukt entfleucht:
„Erhebe dich,
oh, schöner Funkenflug!“
10. Geist
„Erhebe dich,
oh, schöner Funkenflug,
mach Rast bei
Syrakus, dort unter Säulen
lass uns den
letzten Schrei antiker Eulen
belauschen. Lang
bin ich schon auf Entzug!
Wo Humbug,
Firlefanz, Gewäsch zerschlug
dein edles
Trachten, kämpft profan mit Keulen
(jaja, das find
ich in der Tat zum Heulen!),
stirbt Poesie,
verendet ohne Fug.
Drum kann ich
dieses hier mit Recht behaupten:
die Heutigen
sinds, die nur Reste klaubten,
vergessen und
vergangen - all die Pracht.
Sie knüpfen ihre
Netze in kaVau*
und lechzen nach
Miau** - Ideenklau
in jeder
sehnsuchtsvoll verklärten Nacht.“
11. Geist
„In dieser
sehnsuchtsvoll verklärten Nacht
mit
unerschöpflichen Gedankengängen,
in denen die Ideen
wie Schlachtvieh hängen,
hab Stund um
Stunde ich durchlebt, durchwacht.
Mein Finger
streifte übern Schreibtisch sacht,
fuhr an den Kanten
lang, an den Gestängen,
gewillt, das
Vakuum im Kopf zu sprengen.
All das hat nicht
besonders viel gebracht.
Kein Fünkchen
Lyrik hat mich hier getroffen!
Stattdessen bin
ich hackedicht, besoffen!
Das einzige, was
mich berührt, ist Hader!
Ach könnte ich
nur einmal Feen sehen!
Drei Wünsche
ließe ich mir gern andrehen!***
Streif mich und
meine künstlerische Ader!“
12. Geist
Streif mich und
meine künstlerische Ader,
du dusslig dumme, dunkle Dunkelkammer
und hau schon drauf, am besten mit dem Hammer
und mach das Schiefe in mir noch gerader.
Ich schwöre, Alter, ich bin Zukunftskader!
Du willst ne Probe von dem Katzenjammer?
Schau, auch mein Höschen, stramm und strammer,
verrät den wahren Lyrik-Hinterlader!
Ich rappe dich in ungeahnte Sphären;
mich wird die Welt dereinst als Held verehren!
Wer sind schon Kunze, Süverkrüp und Wader?
Und wer war Goethe, Ringelnatz und Heine?
Verblichen
ist ihr Tun und die Gebeine.
Hier sitze ich –
ein Nichtsnutz und Salbader!
13. Geist
Hier sitze ich –
ein Nichtsnutz und Salbader,
was
an und für sich gar noch nichts beweist.
Und nicht bedeutet oder auch nicht heißt,
ich säße nicht auf einer Silberader!
Nicht immer waren meine Nächte fader,
nein, lustig waren sie und geil zumeist!
Ab heute fordere ich Sinn und Geist!
nicht mehr, nicht weniger: gleich im Geschwader.
Warum, fragst du, die mich hier niederschreibt,
und was zum Teufel mich zum Schreiben treibt?
Hast du nie eine Nacht versoffen und durchwacht?
Fandst du dein Leben nicht schon einmal blöde?
Ich will jetzt schreiben können, alter Schwede,
träum vor mich
hin und habe nichts vollbracht.
14. Geist
Ich träume vor
mich hin, hab nichts vollbracht.
Der Morgen schaut durchs Fenster um die Ecke;
da draußen tagt es in der Fliederhecke.
Die Amsel mahnt im Holz: Obacht - um Acht!
Die Traufe tropft, es gluckst im Wasserschacht,
auch rinnen munter durch die Zimmerdecke
die Regenwässerchen. Zu diesem Zwecke
ward rasch ein Topf in Position gebracht.
Ein Schirm, gespannt, gleich überm Bette
bewahrt vor Regen, darauf jede Wette,
verhindert nasse Kissen, schützt die Felle.
Mein Bauch wölbt sich gesättigt, kugelrund,
derweil ich Worte suche, überlege und
ideenschwanger hock vor der Novelle.
15. Geist
Ideenschwanger
hockt vor der Novelle
ein bald bekannter
großer Buchautor.
Sein Auge klebt am
leeren Monitor;
der Abend ruhet
draußen auf der Schwelle.
Verträumten
Blicks durchmisst er die Parzelle:
- die Nachtigall
singt mit dem Himmelschor,
- just überm Wald
verglüht ein Meteor,
- voll Schwermut
streifte Wind durch die Kapelle.
Die Welt ist
schön, denkt er, und ich bin klug.
Erhebe dich, oh,
schöner Funkenflug
in dieser
sehnsuchtsvoll verklärten Nacht!
Streif mich und
meine künstlerische Ader!
Hier sitze ich –
ein Nichtsnutz und Salbader
träum vor mich
hin, hab wieder nichts vollbracht!
* kaVau: keinVerlag.de/ ein Lyrikforum
** ein Gutsle für Menschenkind bei kaVau
*** gewidmet TassoTuwas bei kaVau
Hey, total cool! Ich bin völlig begeistert. Chapeau!
AntwortenLöschenDanke, Drago. Nachdem es ein Gruselkranz werden sollte, hat es sich ganz einfach verselbstständigt und hat sich ganz allein geschrieben. Ich saß nur am Schreibtisch und starrte auf den Monitor ...:-D
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