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Mittwoch, 29. Oktober 2014

Eiszeit

I

Aufs Neue bleckt er seine weißen Zähne,
beißt in die Nasen, Ohren, in die Wangen,
als prüfe er das Kneifen alter Zangen,
die zu lang rosteten in der Domäne.

Er schneidet wahllos mangels eitler Pläne;
die letzten Früchte sind dahingegangen.
Dort, wo die reifen Äpfel herbstgehangen,
vereinsamt eine letzte Goldparmäne.

Geglättet ruht das alte Land, kristallgebadet,
erscheint als gleißende Apotheose,
darin der Lärm des Jahreslaufs verhallt.

Aus Sternen grüßt der Künstler, gottbegnadet,
malt an die gelben Bauernfenster Ros' um Rose
und lächelt gleichsam einer Lichtgestalt.

II

Er lächelt gleichsam einer Lichtgestalt,
im Kerzenschein, der unter Dächern, Zinnen,
Erinnerungen weckt beim Sichbesinnen.
Sein Leuchten wärmt sie ohne Vorbehalt.

Die Speicher sind gefüllt und wohlbestallt.
Zum nahen Jahresende hin beginnen
sich Märchen und Geschichten zu entspinnen,
berichten, was in frühen Zeiten magisch galt.

An diesen Tagen schwebt ein Apfelduft
und der von Sternanis, durch Zimmerluft,
backt Mutter emsig die Silvesterkrapfen.

Versilbert und vergoldet strahlen Zapfen
am Tannenbaum und Glockenläuten schallt.
Mit Eis und Harsch und Frösten ringt der Wald

III

Mit Eis und Harsch und Frösten ringt der Wald.
Wer keinen Mangel hat, verlässt nicht seine Bleibe,
ihm rückt der Frost sonst schonungslos zu Leibe.
Solch Tage taugen nur begrenzt zum Aufenthalt

im Freien, da der Nordmann Fäuste ballt.
Man sitzt daheim gemütlich bei dem Weibe,
betrachtet Eiskunst auf der Flachbildscheibe.
Dieweil verblasst am Marktplatz der Basalt.

Droht Schnupfen, schluckt man brav und auf Rezept.
Bei Husten gilt entsprechendes Konzept
und weicher Flaum bewacht die Quarantäne.

Nach langen Stunden schleppt man sich zu Bette
als trüge man an einer Gliederkette.
Der See vermisst seit Wochen Schwan und Kähne.

IV

Der See vermisst seit Wochen Schwan und Kähne.
Sein Schilf harrt regungslos vereist im Grund,
schabt sich die Knöchel an den Rändern wund.
Ihm fehlen Sonnenwärme und die Schwäne.

Bei jedem Windstoß flattert eine Strähne
ihm übers wilde Seegesicht. Dem kalten Bund
begegnet er hier mit Gedächtnisschwund,
verdrängt einstweilen Kahn und Kapitäne.

Im klammen Kleid aus weißen Wolkenpelzen
beginnt sein seelig Winterherz zu schmelzen
und rührt das Schilf zu einer warmen Träne.

Doch niemand ahnt das Zwiegespräch der beiden,
vermeint, es rausche Schilfrohr bei den Weiden.
Versiegt sind all'samt Brunnen, die Fontäne.

V

Versiegt sind alle Brunnen; die Fontäne,
die sommers in den goldnen Himmel sprang,
verbirgt zur Stunde Frohgemut und Klang.
Ach, wie ich mich nach ihrem Plätschern sehne!

Der Ort versinkt in Schweigen. Selbst die Hähne
von hinterm Zaun, nah meiner Gartenbank,
bekrähen nicht wie sonst den Sonnaufgang.
Monotonie beherrscht die stumme Szene.

Die Eiche auf dem Dorfplatz greift nach Sternen.
Was sie bislang nicht kannte, muss sie lernen:
Jegliches Kinderlachen ist verhallt.

Und auch die Dächer scheinen sich zu ducken
in Nebeln, die ihr klares Bild verschlucken.
Der Marktplatz wirkt verlassen, grau und alt.

VI

Der Marktplatz wirkt verlassen, grau und alt.
Im Eck dampft es aus einem Lumpenhaufen.
„Der kricht meen Jeld bestümmt nich zum Vasaufen!“
Ein Obdachloser liegt im Darminhalt.

Kaum einen kümmert dieser Sachverhalt.
Die Menschen hasten, eilen, und sie laufen
vorbei an diesem Konterfei zum Kaufen ...
Ein Nachbar hat die Türe zugeknallt.

Mit leeren Blicken starrt der Habenichts
auf eine Dame, die wohl angesichts
seiner Erscheinung angewidert tat.

Und seine frostgeschwächte Hand, sie hat
sich hoffnungslos am Schlafsack festgekrallt.
Aus Essen steigen Dünste dergestalt.

VII

Aus Essen steigen Dünste, dergestalt
die Köchin wendet fette Gänsebrüste.
In Topf und Pfannen brutzeln Fleischeslüste
für den Familienzusammenhalt.

Vorm Fenster tobt indes Naturgewalt,
ein Zimmer weiter - andere Gelüste:
Ein Alter, der ein junges Mädchen küsste ...
und dieses wagt nicht zu gebieten „Halt!“

Erschlafft hockt hinterher an einer Tafel,
die urige Mischpoke mit Geschwafel,
ein Sammelsurium der gleichen Gene.

Am Markt: Das Bündel aus Gestank und Fieber
ist nicht noch einmal aufgetaut, hinüber
türmt der Polarwind seine Silbermähne.

VIII

Türmt der Polarwind seine Silbermähne,
wird frömmelnd  die Gewissenslast bereinigt
und angeklagt, was in der Fremde peinigt.
Man stützt sich eisern auf die Sessellehne,

dehnt seinen Rücken und streckt eine Sehne.
Denn im Iran wird wieder mal gesteinigt!
Man kämpft, in Solidarität vereinigt.
Der Finger zeigt auf fremde Souveräne.

Was kümmert es die Potentaten aber?
Dies nächstenliebende und Scheingelaber
erreicht doch ohnehin nicht die Diktator-Ohren!

Das geht alsbald vorüber, wissen sie,
ist nur so eine westliche Manie,
wo Sommerlinden dereinst Liebe schworen.

IX

Wo Sommerlinden dereinst Liebe schworen,
gähnt zwischen Kraut und Stümpfen hohler Raum,
fällt Licht bis auf den Boden, blieb kein Baum.
Ein Stümper hatte sie zum Fall erkoren.

Verebbt ist das Getöse der Motoren,
geschnitten und zerteilt der Sommertraum.
Die Liebe hatte keine Chance, denn kaum
erwacht, schon köpften sie die Investoren.

Versprochen wurden Arbeit, Lohn und Brot -
die Linden rauschen nicht mehr, sie sind tot.
Gefühlsbetont bläht sich ein Portmonee.

Die Liebe? Zur Benutzung abgeflacht.
In Anbetracht der geilen Übermacht
versprach kein Glück der immergrüne Klee.

X

Versprach nicht Glück der immergrüne Klee?
Und sprach er nicht von ihm, dem reinen,
dem Streben, wie man glaubt, sich zu vereinen!?
Bedeuten Liebe, Linde, Klee nur Varieté?

Und führte nicht die weisende Allee
vorbei am See, an malerischen Hainen,
ließ Richtung und ein wertes Ziel erscheinen?
Zer$tört wars jäh.

Das Ende schlich heran, war zu erahnen
aus alten Weisen, die daran gemahnen.
Es stand von Anfang an schon vor den Toren.

Ist dieses Bild der Linden und sowohl
als auch vom Klee nur Eitelkeits – Idol?
Vor Tagesanbruch sind sie eingefroren.

XI

Vor Tagesanbruch sind sie eingefroren,
zu abgelenkt von aufgeblähten Lippen,
die geil-lasziv an Eis und Kaffee nippen,
von Baumarkt, Mauerbau, geplatzten Rohren …

von Sicherheit im Straßenbau per Reflektoren,
von streikenden Idioten, Kinderwippen,
denn ihre Kindheitsmuster, lass mich tippen,
sind nicht zur letzten Gänze ausgegoren.

Der Mensch besteht zum Großteil aus Neurosen,
ist ein Gewirr von Eitelkeitsmimosen
und nebenbei nur Gottes Schnapsidee.

Ohn' heilig' Schein! Ohn' eitel Lindenwald
wird sein Theater demaskiert, alsbald
bedeckt von einem Überzug aus Schnee!

XII

Bedeckt von einem Überzug aus Schnee
vergeht die Pracht, verschwinden Rang und Namen.
Darunter drängen Keimlinge aus Samen.
Die Stille - ist sie mehr denn ein „Klischee“?

Die Tage, die vergingen, sind passé,
mitsamt der Fröhlichkeit, mit der sie kamen.
Nie wieder glückt, sie gleichsam nachzuahmen.
Die Zeit zieht konsequent ihr Resümee.

In der Vergangenheit ruht das, was war.
Der letzte Zug kommt unabänderbar,
macht Halt im Schneesturm auf dem Abstellgleis.

Weit überm Marktplatz schweben Cherubine.
Direkt darunter – so, als wär's Routine -
verschwindet auch das rettende Geleis.

XIII

Verschwindet auch das rettende Geleis,
zeigt Klarheit sich im detaillierten Wissen.
Zum Weitergehen reicht kein Ruhekissen.
Man zahlt für Fortschritt keinen Sonderpreis!

Er kostet Kraft und jede Menge Schweiß,
lässt auch der Gegenwind das Ziel vermissen.
Und wird das Neue medial verrissen,
begehrt nur Altes auf im Querverweis!

Die Zeiten ändern sich wie alle Jahre.
Man wird geboren, wirkt bis hin zur Bahre.
Auf nichts hat niemand den Besitznachweis.

Epochen folgen zahlreichen Äonen.
Grad frostet man die Menschen ein zum Klonen.
Die Welt um mich herum - erstarrt zu Eis.

XIV

Die Welt um mich herum - erstarrt zu Eis.
Im Hintergrund - beachtliche Momente.
Die Periode nähert sich dem Ende
und jedes Jahr zieht regulär den Kreis.

Letztendlich führt der Zyklus den Beweis:
Scheint auch das Ende anfangs fern und offen,
letztendlich hilft kein Beten und kein Hoffen.
Der Abgesang steht fest, braucht kein Geheiß.

Doch jedem Abschied folgt ein Wiedersehen;
die Jahre kommen nämlich und vergehen.
Für Wochen nach dem Wechsel gibt’s schon Pläne.

Zuvor jedoch muss ihn der Mensch bezwingen
und Nächstenliebe, Gott herrje, besingen.
Aufs Neue bleckt er seine weißen Zähne.

XV

Aufs Neue bleckt er seine weißen Zähne;
er lächelt gleichsam einer Lichtgestalt.
Mit Eis und Harsch und Frösten ringt der Wald.
Der See vermisst seit Wochen Schwan und Kähne.

Versiegt sind alle Brunnen. Die Fontäne
vom Marktplatz wirkt verlassen, grau und alt.
Aus Essen steigen Dünste, dergestalt
türmt der Polarwind seine Silbermähne.

Wo Sommerlinden dereinst Liebe schworen,
versprach kein Glück der immergrüne Klee.
Vor Tagesanbruch sind sie eingefroren.

Bedeckt von einem Überzug aus Schnee
verschwindet auch das rettende Geleis.
Die Welt um mich herum - erstarrt zu Eis.

Freitag, 14. März 2014

Aufbruch



1

Das Volk drängt wieder auf die Promenade.
Es latscht am Sonntag mit den Menschenhunden
durch die Natur, dreht mehr als ein, zwei Runden
und trampelt über Rasenstücke Pfade.

Natürlich ist der Mensch an sich Nomade.
Im Winter hat zudem er viele Stunden
daheim gesessen, dort, wie festgebunden.
Wenn er nicht wandern kann, wird er malade.

Jetzt, da die Sonne hoch und höher steigt,
schafft auch Konsum sich Highlights, weit verzweigt,
betreut durch ein marodes Management.

Die Grillsaison braucht ständig neue Würste,
die Wohnung Lappen oder Teppichbürste -
von Wiesen droht ein neues Happy-End.


2

Von Wiesen droht ein neues Happy-End.
Dort liebt und küsst und streichelt man ganz offen,
hat sich, oh Wunder, hier zum Kuss getroffen,
als sei der Winter ganz und gar dement.

Entsprechend findet das Experiment
nun auf den Blüten statt, auch wenn die hoffen,
dass eine ihrer Nesseln diesen schroffen
Gesellen unverzagt den Steiß verbrennt.

Ein Amselweibchen hockt auf seinem Nest
am Heckenrand, verfolgt das Paarungsfest,
bis es vorbei ... Man flucht und flieht und flennt!

Indes sieht man's am Himmel golden prahlen,
denn dessen ungeachtet schickt sie Strahlen:
Die Sonne heizt am weiten Firmament.


3

Die Sonne heizt am weiten Firmament;
man sieht in Parks nun viele Leute grillen,
die ihren Appetit auf Steak und Würstchen stillen.
Von Beistelltischen prangt ihr Sortiment.

Familienväter aus dem Orient
erkennt man meistens, weil sie abseits chillen.
Und bei den Großfamilien der Antillen
serviert man Huhn mit Reis auf Pergament.

Durch Lindenbäume wabert zünftig Rauch;
die Völker brutzeln frei nach altem Brauch.
Das Frühjahr schaut mit einem Blick aus Jade.

Die Birken streuen feinen Blütenstaub,
Kastanien schmücken sich mit grünem Laub.
Dahingerafft hofft Winter nicht auf Gnade.


4

Dahingerafft hofft Winter nicht auf Gnade.
Mal abgesehen davon ist ihm sonnenklar:
Er kommt zurück, schon bald, wie jedes Jahr
und fährt dem Herbst am End in die Parade.

Ihm fehlt der Sinn für jede Schimpftirade,
drum macht er sich für eine Zeitlang rar.
Nur nördlich droht von ihm noch Eisgefahr.
Die braucht man hier nicht für die Marinade.

Und dennoch wundert er sich aus der Ferne,
wie Menschen selbst beim Lichtschein der Laterne
im Freien hocken, dort, bei der Zikade.

Ein letzter Schneesturm, Bodenfrost zum Gruße,
dann ist die Zeit für sommerliche Buße:
Der Park schnauft Pollen, schnauft und stäubt gerade.


5

Der Park schnauft Pollen, schnauft und stäubt gerade,
verteilt sein Übermaß an gelbem Puder
nicht in geringen Dosen, nein, im Fuder,
setzt sich den Hutlosen auf die Pomade.

Mit feiner Schicht liegt er auf Limonade,
bestäubt die Nonne und den Glaubensbruder
und gleitet jeder Hausfrau aus dem Ruder.
Ihr Putzbemühen bleibt gleichwohl Fassade.

Noch ist der Lenz im Kommen, noch am Werden,
schon hagelt es die ersten Motzbeschwerden,
als gäbe es nur für sein Fehlen Kompliment.

Die Areale werden flugs gereinigt.
(Die Nonne hat sich mit dem Mönch vereinigt ...)
Dem Alten spendet er sein Sakrament.


6

Dem Alten spendet er sein Sakrament
bei einem Golfplatz, nahe der Chaussee.
Der trägt jetzt Hut (die Frauen auch Plissee).
Nur gut, dass heute niemand ihn erkennt.

Denn oftmals ist es schwer, so prominent!
Das läge sicherlich an dem Klischee,
meint er, und klopft den allerletzten Schnee
sich von den Ärmeln. Zeit, dass man sich trennt!

„Gut, abgemacht! Ich gehe nun Herr Lenz!“
raunt er dem Grünen zu (schnappt seinen Stenz),
der seinen vollen Namen nicht mehr nennt.

„Vorüber und vorbei! Ists dir auch schwer!“,
ruft der dem weißen Alten hinterher
mit einem allerletzten Kompliment.


7

Mit einem allerletzten Kompliment
besiegelt heut im Park ein Mann sein Ziel
bei der Partie, dem ersten Frühlingsspiel,
setzt die Figuren einfach exzellent.

Begeisterung entsteht auf dem Zement
sogar bei einer Gör mit Eis am Stiel,
entgeht dem Ede da am Eck ein Deal.
Von einer Bühne schweigt gebannt 'ne Band.

Für einen Lidschlag lang ist alles stille,
verharrt ein Wurm in seiner Regenrille,
schweigt auch die liebliche Scheherazade.

Denn bei dem Zug davor hieß es schon „Schach!“
Kokett, mit jenem „Dass ich da nicht lach!“,
gebietet er den Wechsel, die Scharade.


8

Gebietet er den Wechsel, die Scharade,
dann füllen sich die Straßen und Terrassen.
mit Caprihosen, bunten Menschenmassen.
Man trinkt Kaffee und Bier und Schokolade

und isst Baguette mit Erdbeermarmelade.
Akkordeonbediener üben Tastenfassen,
es klimpern Löffel auf den Untertassen,
sowohl in Städten, wie auch am Gestade.

In Dörfern gräbt man hektisch an den Rosen,
trägt Schürze, hält auch nichts von Caprihosen.
Nur zum Kaffee sagt man auch hier nicht nein.

Am Obstbestand wird man nun nicht mehr sägen
und Samstagfrüh muss man die Straße fegen!
Sobald die Sonne strahlt, geht’s querfeldein.


9

Sobald die Sonne strahlt geht’s querfeldein.
Zig Federvölker präsentieren ihr Konzert:
Die Finken schlagen und die Lerche fährt
dazwischen, trillert sich in C-Dur ein.

Der König aber vom Gesangsverein
singt wieder, meint die Amsel, grundverkehrt
und zwitschert, bis ihr Lied den König stört.
Der neigt sein Haupt verschämt und sieht es ein.

Er lässt die anderen im Kanon singen,
genießt und lauscht den Hymnen, die erklingen.
Wie er, denkt er, sollt jeder König sein!

Und plötzlich gibt es Lärm auf weiter Flur.
Ein Eichelhäher krächzt! Was gibt es nur?
Die Nachwuchsschieber rennen durch den Hain!


10

Die Nachwuchsschieber rennen durch den Hain;
es wird gejoggt, dass sich die Muskeln spannen.
Man schwitzt und nutzt, was andere ersannen,
sticht Walkingspitzen in die Wege rein.

Aus Kinderkutschen tönt ein derbes Schrei'n
die Muttis aber sind am Bilderscannen,
wolln sich – „Scheiß Hundekot!“ - bemannen
und rennen, rennen, findens hundsgemein!

Ein Knopf im Ohr scheint beinah angetackert
bei der, die übern Hügelacker rackert,
beflissen überhört sie Vogelklänge.

Doch die, die laufend sinnlos vor sich stiert,
die hat der Lenz schon immer ignoriert.
Das Land durchstreifen freudige Gesänge!


11

Das Land durchstreifen freudige Gesänge.
Der Hafer sticht schon merklich durch die Äcker!
Ein Suffkopp geht salbadernd auf den Wecker -
schon hats an einem Biertisch Handgemenge!

Mit einem Stuhlbein gibts gehörig Senge,
der Trunkenbold verkommt zum Bodendecker.
Die Polizei beschlagnahmt seinen Trecker …,
erahnt im Gras vorm Haus Zusammenhänge.

Wohl jene, die da übern Rasen hampeln,
vermeinen eh nur Unkraut zu zertrampeln.
Sie demolieren, stochern wie im Wahn!

Und wissen nichts von Ehrenpreis und Miere,
die Heimat sind für kleine Krabbeltiere,
mit Blüten, die fragil wie Porzellan.


12

Mit Blüten, die fragil wie Porzellan,
schritt zaghaft der Herr Lenz durch meine Türen.
Sein sanfter Blick vermochte mich zu rühren,
liebkosend strich er über die Membran.

Auf grauen Wegen brach sich Frühling Bahn.
Fiel auch mal Regen auf das Land in Schnüren -
er kam, das Regenbogenland zu küren
und schenkte mir den ersten Löwenzahn.

Und hat mir noch ein Wunder mitgebracht:
Den Morgen, der gleich hinterm Wald erwacht,
und einen See, gekrönt mit einem Schwan.

Er tupft nur noch ein wenig auf die Ränder;
bald fliegen himmelweit die bunten Bänder!
Mit zarten Pinselstrichen ist's getan!


13

Mit zarten Pinselstrichen ist's getan!
An einem See sitzt hoffnungsvoll ein Dichter,
betrachtet an der Oberfläche Lichter
und schreibt die Fortsetzung für den Roman.

Im Schilf liegt noch das Wrack von einem Kahn,
erinnert ihn an glückliche Gesichter.
Nur wirkt nach jenem Winter dieser schlichter.
Das ändert jedoch nichts an seinem Plan.

Bekannt, berühmt, umschwärmt und vorgezeigt,
ein Mann, vor dem sogar der Papst sich neigt
erträumt er sich diverse Sektempfänge.

Der Pfau sieht niemals Kinder Räder schlagen
und will sich nur für die Verleger plagen!
Im Land herrscht Aufbruch, Stimmung und Gedränge.



14

Im Land herrscht Aufbruch, Stimmung und Gedränge.
Die Leute pilgern zu erblühten Wiesen
und wälzen sich darauf, auf ebendiesen.
Nach Winterfrust entstehen neue Zwänge.

Am Anfang noch, auf Zigarettenlänge,
ward auf Balkonien Sonnenschein gepriesen.
Doch mittlerweile ist der Mensch am Niesen;
der Pollenflug treibt manchen in die Enge.

Und dennoch, Kinder, lasst die Mäntel fallen!
Mag Eiswind auch die kalten Fäuste ballen -
um seinen Abschied ists durchaus nicht schade.

Mit Aberwitz verstellen wir die Uhren
und preisen noch absurder ihre Spuren ...
Das Volk drängt wieder auf die Promenade.


15 Aufbruch

Das Volk drängt wieder auf die Promenade,
von Wiesen droht ein neues Happy-End.
Die Sonne heizt am weiten Firmament;
dahingerafft hofft Winter nicht auf Gnade.

Der Park schnauft Pollen, schnauft und stäubt gerade,
dem Alten spendet er sein Sakrament.
Mit einem allerletzten Kompliment
gebietet er den Wechsel, die Scharade.

Sobald die Sonne strahlt, geht’s querfeldein:
Die Nachwuchsschieber rennen durch den Hain,
das Land durchstreifen freudige Gesänge.

Mit Blüten, die fragil wie Porzellan,
mit zarten Pinselstrichen, ist's getan!
Im Land herrscht Aufbruch, Stimmung und Gedränge.

Montag, 11. November 2013

Zeitgeister

1. Geist

Ideenschwanger hockt vor der Novelle,
das dumpfe Hirn zum Konvolut verwebt,
ein Faulpelz, der sich höchsten Ruhm erstrebt,
und mit ihm Geld, am besten auf der Stelle.

Weil er was kann, wird auch der finanzielle
Erfolg ihm hold sein, glaubt er, und erlebt
tagtäglich vor der Glotze festgeklebt,
wie's gehen könnte, so ganz auf die Schnelle.

Da sitzt er nun vorm Bildschirm des PC's
auf seinem allerwertesten Gesäß,
die Finger tippbereit wie nie zuvor.

Das Schreiben läge ihm im Blutgefäß.
Nun wird er, seinem Fleiß bei Nacht gemäß,
ein bald bekannter großer Buchautor!

2. Geist

Der bald bekannte große Buchautor
sucht für den Kassenschlager wie verhext
die Überschrift, den Titel, den man kleckst
gleich obenauf, ein Hit für jedes Ohr!

„Wie wäre es mit Stimmen aus dem Moor?“
„Das gibt’s doch schon! Wer weiß, was dem erwächst?
Ich weiß nicht, wo du dich versteckst,
du Meisterwerk! Ich sauf erstmal Liquor.“

Gesagt, getan. Anstatt er endlich Lettern tippt,
sieht man den Kerl, der selig nippt und kippt.
Ihm brennt die Lust im Schlund, gluckst mit Rumor.

Vor schwerer Arbeit kommt stets der Genuss,
gut Ding braucht Schnaps erst, dann den Musenkuss.
Sein Auge klebt am leeren Monitor.

3. Geist

Sein Auge klebt am leeren Monitor;
starrt vor sich hin und wartet auf das erste Wort.
Steht dieses fest, gehts weiter usf.
Der Rest ist Zierrat, Schnörkel und Dekor.

Und Frage über Frage kriecht empor:
Wer handelt wie und wann, an welchem Ort?
Thematisch reizt ihn alles – Liebe, Mord,
das Leben einer Frau mit Labrador ...

Ideen gibt’s zuhauf, sind kein Problem.
Drum macht er es sich erst einmal bequem.
„Prost, guter Geist, und mach nicht solche Welle!“

Die Nacht lässt uns ein wenig auf sich warten,
noch blinkt kein Mond durch das Gestrüpp im Garten
und ruht der Abend draußen auf der Schwelle.

4. Geist

Der Abend ruhet draußen auf der Schwelle,
um Häuserwände pfeift ein kalter Wind,
weht diesen Tag hinfort, der stumm zerrinnt.
Bis vor 'ner Stunde schien die Sonne helle.

Ist nicht die Nacht die unbegrenzte Quelle,
der Mär Geburtskanal, der hier beginnt?
Was jetzt ein Hirn in Einsamkeit ersinnt,
birgt jenen Stoff für Intellektuelle!

Wenn ihm der Titel in die Finger käme
und ihn ergriffe, seine Hände nähme!
Ihm fiel auch die Geschichte ein - zur Hölle!

Des Dichterlings erbarmt sich kein Gedanke,
im Schoße döst die untätige Pranke.
Verträumten Blicks durchmisst er die Parzelle:

5. Geist

Verträumten Blicks durchmisst er die Parzelle:
beschreitet Wege und prüft mit gestrengen,
mit Blicken, bleibt auch an der Traufe hängen:
Wann wechselt er wohl deren Dichtungsschelle?

Das ist die Frage, denkt er. Finanzielle
Gegebenheiten, die ihn stets beengen,
erwachsen aus verschiednen Lebenszwängen -
gemessen an dem Schreibversuch, ne Bagatelle!

Soll doch der Regen aus dem Loche fließen!
Die Pflanzen drunter braucht er dann nicht gießen.
Da weckt ein lautes Tirilieren ihn sonor.

Ein zartes Lächeln macht sich breit und breiter,
und allem Anschein nach macht sie ihn heiter:
Die Nachtigall singt mit dem Himmelschor.

6. Geist

Die Nachtigall singt mit dem Himmelschor,
Gedanken gehen mit dem Klang auf Reisen.
Dem Schreiberling beginnts im Kopf zu kreisen.
Schwupps, wird ihm schummrig, er sinkt hin - ins Moor.

Im Moor, versperrter als ein Banktresor
(Wie viele Kinder wurden dort zu Waisen
und lieget manches auch bei all den Greisen?),
verbergen böse Taten Schilf und Rohr!

Er wähnt die Leichen unter einem Galgen
um beste Plätze in dem Sumpf sich balgen!
Daselbst die Weiden tragen Trauerflor!

Ein Schlag! So wahr der liebe Gott mir helf!
Der Kirchturm dröhnt – die Uhr schlägt Zwölf!
Just überm Wald verglüht ein Meteor.

7. Geist

Just überm Wald verglüht ein Meteor.
Wo sonst der Mond stand, gähnt ein düstres Loch,
dem eine Viper sich entwand, entkroch.
Und den Betrachter schüttelt ein Tremor.

War Angst der Grund, wars, dass er furchtbar fror?
Womöglich keins von beiden. Ja, das roch
im Endeffekt nach Fantasie! Jedoch -
ihm war zum Heulen, ihm, dem armen Tor.

Behände greift er nach der Schnäpskenpulle
„Wenn das so weitergeht, werd ich machulle!
Verschwinde, Geist, verschwinde auf der Stelle!

Vielleicht hilft mir zur Not ein Stoßgebet?“
Er ringt um Worte, ringt um Qualität.
Voll Schwermut streifte Wind durch die Kapelle

8. Geist

Voll Schwermut streifte Wind durch die Kapelle.
Vor dem Altar erfleht der Gernegroß
sich Heilung, Finger falten sich im Schoß,
ein Pfaffe rückt ihm nicht mehr von der Pelle.

Gesäusel über himmlische Duelle
von Sünden und Vergehen, von Verstoß,
von Tod und Teufel schwatzt der bloß.
Er kenne davon eine Vielzahl Fälle!

In dem Moment durchfährt den Betenden ein Blitz.
Er wirft ne Münze, die plumpst in den Schlitz
und er entkommt dem schwarzen Fluch und Trug.

Wie hinter ihm die Tür ins Schlosse fällt,
dünkt er sich als ein unschlagbarer Held.
Die Welt ist schön, denkt er, und ich bin klug!

9. Geist

'Die Welt ist schön', denkt er, 'und ich bin klug.
Ein Prosit auf die Windungen im Hirn,
sie weisen mir den Weg, sind mein Gestirn,
bewahren mich vor heiligem Betrug.

Was wär ich ohne dies, wer hinterfrug
denn sonsten? Himmel Arsch und Zwirn!
Womit soll man sonst Gaunerei erspürn?',
sinniert der Dichter, denn er hat genug,

genug an Hirn, Gedanken und Verstand.
Nur hat bis dato niemand dies erkannt!
Da ploppt es kurz, perlt in den Henkelkrug

und rauscht durch seine Kehle, kühl und feucht
worauf sein lyrisches Konstrukt entfleucht:
„Erhebe dich, oh, schöner Funkenflug!“

10. Geist

„Erhebe dich, oh, schöner Funkenflug,
mach Rast bei Syrakus, dort unter Säulen
lass uns den letzten Schrei antiker Eulen
belauschen. Lang bin ich schon auf Entzug!

Wo Humbug, Firlefanz, Gewäsch zerschlug
dein edles Trachten, kämpft profan mit Keulen
(jaja, das find ich in der Tat zum Heulen!),
stirbt Poesie, verendet ohne Fug.

Drum kann ich dieses hier mit Recht behaupten:
die Heutigen sinds, die nur Reste klaubten,
vergessen und vergangen - all die Pracht.

Sie knüpfen ihre Netze in kaVau*
und lechzen nach Miau** - Ideenklau
in jeder sehnsuchtsvoll verklärten Nacht.“

11. Geist

„In dieser sehnsuchtsvoll verklärten Nacht
mit unerschöpflichen Gedankengängen,
in denen die Ideen wie Schlachtvieh hängen,
hab Stund um Stunde ich durchlebt, durchwacht.

Mein Finger streifte übern Schreibtisch sacht,
fuhr an den Kanten lang, an den Gestängen,
gewillt, das Vakuum im Kopf zu sprengen.
All das hat nicht besonders viel gebracht.

Kein Fünkchen Lyrik hat mich hier getroffen!
Stattdessen bin ich hackedicht, besoffen!
Das einzige, was mich berührt, ist Hader!

Ach könnte ich nur einmal Feen sehen!
Drei Wünsche ließe ich mir gern andrehen!***
Streif mich und meine künstlerische Ader!“

12. Geist

Streif mich und meine künstlerische Ader,
du dusslig dumme, dunkle Dunkelkammer
und hau schon drauf, am besten mit dem Hammer
und mach das Schiefe in mir noch gerader.

Ich schwöre, Alter, ich bin Zukunftskader!
Du willst ne Probe von dem Katzenjammer?
Schau, auch mein Höschen, stramm und strammer,
verrät den wahren Lyrik-Hinterlader!

Ich rappe dich in ungeahnte Sphären;
mich wird die Welt dereinst als Held verehren!
Wer sind schon Kunze, Süverkrüp und Wader?

Und wer war Goethe, Ringelnatz und Heine?
Verblichen ist ihr Tun und die Gebeine.
Hier sitze ich – ein Nichtsnutz und Salbader!

13. Geist

Hier sitze ich – ein Nichtsnutz und Salbader,
was an und für sich gar noch nichts beweist.
Und nicht bedeutet oder auch nicht heißt,
ich säße nicht auf einer Silberader!

Nicht immer waren meine Nächte fader,
nein, lustig waren sie und geil zumeist!
Ab heute fordere ich Sinn und Geist!
nicht mehr, nicht weniger: gleich im Geschwader.

Warum, fragst du, die mich hier niederschreibt,
und was zum Teufel mich zum Schreiben treibt?
Hast du nie eine Nacht versoffen und durchwacht?

Fandst du dein Leben nicht schon einmal blöde?
Ich will jetzt schreiben können, alter Schwede,
träum vor mich hin und habe nichts vollbracht.

14. Geist

Ich träume vor mich hin, hab nichts vollbracht.
Der Morgen schaut durchs Fenster um die Ecke;
da draußen tagt es in der Fliederhecke.
Die Amsel mahnt im Holz: Obacht - um Acht!

Die Traufe tropft, es gluckst im Wasserschacht,
auch rinnen munter durch die Zimmerdecke
die Regenwässerchen. Zu diesem Zwecke
ward rasch ein Topf in Position gebracht.

Ein Schirm, gespannt, gleich überm Bette
bewahrt vor Regen, darauf jede Wette,
verhindert nasse Kissen, schützt die Felle.

Mein Bauch wölbt sich gesättigt, kugelrund,
derweil ich Worte suche, überlege und
ideenschwanger hock vor der Novelle.

15. Geist

Ideenschwanger hockt vor der Novelle
ein bald bekannter großer Buchautor.
Sein Auge klebt am leeren Monitor;
der Abend ruhet draußen auf der Schwelle.

Verträumten Blicks durchmisst er die Parzelle:
- die Nachtigall singt mit dem Himmelschor,
- just überm Wald verglüht ein Meteor,
- voll Schwermut streifte Wind durch die Kapelle.

Die Welt ist schön, denkt er, und ich bin klug.
Erhebe dich, oh, schöner Funkenflug
in dieser sehnsuchtsvoll verklärten Nacht!

Streif mich und meine künstlerische Ader!
Hier sitze ich – ein Nichtsnutz und Salbader
träum vor mich hin, hab wieder nichts vollbracht!


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