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Donnerstag, 27. April 2017

Muh

O, welch Idylle: Buntgefleckte Kühe!
Genügsam grasen diese auf dem Wasen.
Und Schäfchen wandern über blaue Träume.
In einer Wasserlache blubbern Blasen;
ein Frosch starrt auf ein Mückchen teilnahmslos.
Gehölz wirft Schatten auf die Weidenbank.

Im Hintergrund spielt eine Notenbank,
spielt ihr Vabanque ... Getreulich grasen Kühe
das satte Grün - sie scheinen teilnahmslos
und wiederkäuen stumpf das Gras vom Wasen,
wie sie es oft im Rinder-Almanach erlasen.
“Das war schon immer so - wozu brauchts Träume?”

Die wirksame Erfüllung letzter Träume,
erreicht ein Schuss aus einer Samenbank.
Was sie einst in gewissen Heftchen lasen,
gilt lang nicht mehr, erst recht nicht für die Kühe.
Der Herdentrieb umschifft den satten Wasen.
Die Kuh glotzt komisch, aber teilnahmslos.

Sie stehen rum und kauen teilnahmslos.
Nur eine Handvoll wagt mehr zu erträumen.
Sie, die im Kraut von jenem Heimatwasen
so zwischen Zaun bis hin zur Weidenbank
die Lösung sehn, sind hipp (geht nur bei Kühen!),
weil sie die Zukunft aus dem Rasen lasen. 

Indes sie Halm um Halm um Halm durchlasen,
die Worte wiederholten, teilnahmslos,
beginnt die mu(h)tigste von all den Kühen
ein Lied. Und alle singen bald vom Träumen,
vom Kräuterparadies und Blumenbank.
Unglaublich friedlich imponiert der Wasen.

Dann: Morgennebel wabert übern Wasen.
Jetzt naht mit Seilen Bauer Schulze-Claasen,
verzurrt und treibt sie alle - durch die Bank.

Die Viecher taumeln, traben teilnahmslos.
Vertrauensselig schweben sie durch Träume
von einer bessren Welt - auch für die Kühe.

Und jene Kühe, die auf ihrem Wasen
nur Zukunftsträume aus dem Rasen lasen ...
Man führt sie teilnahmslos zur Schlachtebank.

Montag, 2. März 2015

Bei Nacht

https://www.youtube.com/watch?v=VMuWOdIF6As

Dem Sternenmeer entspringt aus tiefster Nacht
geschäumte Glut, in der die Träume fließen.
Sie wallen unscheinbar und plaudern weise,
indes der Mond die Schleier mit Bedacht
um unsre Blicke webt, sie zu verschließen.
Auf seinen Wogen gehen wir auf Reise.

Dem Schlummer gilt die wundersamste Reise,
die süßeste, die sie uns schenkt, die Nacht.
Auf Flügeln, die uns schützen und umschließen,
derweilen Traumgestalten überfließen,
hält oben über allem einer Wacht
und lächelt ein ums andre Mal und weise.

Er schaut herab auf seine eigne Weise,
kennt jede Tücke dieser stillen Reise,
streicht Decken glatt, berührt die Kissen sacht,
ist Herrin wie auch Herr, der Mond der Nacht,
in der die hellen Meere überfließen,
das Tor des Tages zu verschließen.

Der Schlaf will nun die laute Welt verschließen,
die Stunden, die zermürbten, die nicht weise.
Erst wenn die Träume ineinanderfließen
gleich einer unbekannt gewordnen Reise,
sich Ruhe sehnt nach sternbekränzter Nacht,
wird dir ein neues Sternenlicht entfacht.

Bist du betrübt und traurig, Freund, gib Acht,
beschau die Weite dir beim Fensterschließen
in mondenvoller, sternenklarer Nacht.
Sie schenkt dir Antworten, denn sie ist weise.
Begleite sie auf ihrer weiten Reise
und spüre die Bedeutungen zerfließen.

Tu es den Flüssen gleich, die stetig fließen
wohin das Bett sie lenkt in ihrer Pracht.
Sie murmeln, strömen, ruhen auf der Reise,
beim Sich-Erholen, beim Zusammenschließen.
Dein Schlaf ist Sammlung, die am Morgen weise
verankert, was empfohlen dir bei Nacht.

Du stille Nacht, in der die Träume fließen,
in deren Weise ich manch Mond verbracht!
Dich zu erschließen, führt mich auf der Reise.

Mittwoch, 12. November 2014

Geschwafel (Sestine)

Nichts pflegt er lieber als den Selbstbetrug.
Der Mensch ist ein Gewirr gestrandeter Versprechen,
kein Tier, im besten Fall entbehrliches Gesindel,
dem es gelang aus der Entwicklung auszubrechen.
Sein Lebensziel erstreitet er mit Lug.
Er schöpft aus Täuschung, Gaunereien, Nepp und Schwindel.

Als ginge es ihm ganz allein darum, durch schwindel-
erregenden und reichlich Selbstbetrug
den Sinn der Worte neu zu prägen. Lug
und Sinnverzerrungen verdrehen sein Versprechen.
Selbst wenn die Fälscher anfangs schüchtern radebrechen,
ihr Mittelsmann wirft's lauthals unter das Gesindel.

Erstarrt ob dieses weisen Akts fragt das Gesindel
nicht nach (die werden das schon wissen!), und der Schwindel
bereitet neu ein Fundament, auf dem Verbrechen
begangen werden, strotzt vor Selbstbetrug.
Wir scheuen nicht davor zurück, ihn auszusprechen,
sind im Begriff gefangen, jenem Lug.

Welch abderitisches Geschwätz und Lug!
In irrem Ungestüm betrügt sich das Gesindel!
Vermag ein Mensch auch nur im eignen Raum zu sprechen,
sucht er nach Selbsterhöhung und erliegt dem Schwindel.
Der Untertan, er lechzt nach Selbstbetrug.
Zu selten glückt es ihm, aus allem auszubrechen.

Er formuliert so gern. Er schwätzt bis zum Erbrechen.
Zwar wittert sein Gewissen diesen Lug,
erkennt den überhöhten Selbstbetrug ...
Und dennoch: In Gemeinschaft stärkt sich das Gesindel.
Vereint palavert es und steigert sich in schwindel-
erregenden und autogenen Heilsversprechen.

Der Mensch erlernt das Sprechen, um sein Wort zu brechen.
Vermittels Schwindelei und Täuschung und mit Lug,
krönt das Gesindel sich (und mit ihm: ich) den Selbstbetrug.